Navigation auf uzh.ch

Suche

Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

Schweiz im Ersten Weltkrieg

Die einzelnen Projekte

Als hochindustrialisiertes Land war die Schweiz bereits 1914 eng mit den globalen Warenmärkten verbunden. Der Wirtschaftskrieg der Grossmächte hatte grosse Auswirkungen auf die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik. Insbesondere die Handelskontrollen durch die Entente und die Zentralmächte brachten den Kleinstaat politisch und wirtschaftlich zunehmend unter Druck. Andererseits spielte die Schweiz als neutraler Puffer eine zentrale Rolle im Kalkül der Grossmächte, da beide Seiten an einer stabilen und funktionierenden Schweiz interessiert waren. Florian Weber untersucht an der Universität Zürich die Wechselwirkungen dieser verschiedenen Interessenlagen und versucht die schweizerische Aussen- und Neutralitätspolitik im breiteren Kontext der europäischen Ereignisse verstehbar zu machen.

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die schweizerische Armee erstmals seit Gründung des Bundesstaates vollständig mobilisiert. Für die eingezogenen Soldaten war keine Erwerbsausfallentschädigung vorgesehen, mit zunehmender Dauer des Krieges endete der Dienst für etliche in Arbeitslosigkeit und sozialer Not. Zudem drohte die Härte eines veralteten Militärstrafgesetzes, das ausserordentlich hohe Strafminima vorsah und zudem weit in zivile Sphären eindrang. Vor allem für die Sozialdemokratie trat die Militärjustiz als zentrales Repressionssystem des Kriegsstaates in Erscheinung und spielte als militärpolitisches Thema eine prägende Rolle auf dem Weg der Partei hin zur Ablehnung der Landesverteidigung im Jahr 1917 und dem Landesstreik ein Jahr später. Sebastian Steiner erforscht an der Universität Bern die umstrittene Rolle der schweizerischen Militärjustiz im Ersten Weltkrieg im Spannungsfeld von Recht, Armee und Gesellschaft. Schwerpunkt der Studie bildet die qualitative und quantitative Auswertung von Militärgerichtsakten – wobei der Blick besonders auf die Wechselbeziehungen zwischen sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Aspekten gerichtet werden soll.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und besonders der 1916 verschärfte Wirtschaftskrieg stellten die Landesversorgung der Schweiz, die zu einem hohen Grad vom weltweiten Handel abhängig war, vor grosse Probleme. Mit den sinkenden Importen war die Versorgung des Landes mit wichtigen Grundnahrungsmitteln plötzlich infrage gestellt. Maria Meier untersucht in ihrer Dissertation an der Universität Luzern die gesellschaftlichen und sozialen Folgen dieser wirtschaftlichen Erschwernisse im Bereich der täglichen Ernährung. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Konflikten, die zwischen dem produzierenden Land, den konsumierenden Städten und den verwaltenden Behörden aufbrachen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Bewältigungsstrategien der notleidenden Bevölkerung – wer litt Mangel und Hunger; wo wurden die Probleme und Ursachen festgemacht und wie wurde darauf reagiert?

Während des Ersten Weltkriegs konnte sich die Schweiz dem Blutbad des Krieges, jedoch nicht ideologischen Konflikten entlang der Sprachgrenzen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten entziehen. Das Land nutzte humanitäre Bemühungen um seine umstrittene Neutralität zu rechtfertigen und den inneren Zusammenhalt trotz vieler Widersprüche zu sichern. Cédric Cotter von der Universität Genf untersucht diese Zusammenhänge anhand des dort ansässigen Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, das sich im inneren und äusseren Spannungsfeld für Flüchtlinge und Kriegsgefangene engagierte.

Der Erste Weltkrieg verstärkte sowohl in den kriegführenden Staaten als auch in nicht direkt vom militärischen Konflikt betroffenen Ländern wie der Schweiz das Bewusstsein für nationale Grenzen und die eigene Staatsangehörigkeit. Der Kriegszustand machte eine Neudefinition der Beziehung zwischen staatlichen Behörden und ausländischen Staatsangehörigen nötig und zwang die Schweizer Regierung dazu, Massnahmen zum Schutz der in kriegführenden Staaten lebenden Schweizer zu treffen. Anja Huber untersucht im Rahmen ihres Dissertationsprojektes an der Universität Bern einerseits wie die Schweizer Behörden auf Bundes- und Kantonsebene mit internierten Soldaten, Deserteuren, Refraktären und Flüchtlingen im Land umgingen. Andererseits soll aufgrund von Einzelschicksalen analysiert werden, inwiefern Auslandschweizer in kriegführenden Ländern als „enemy aliens“ verdächtigt und von den Umwälzungen der Herrschaftsverhältnisse tangiert wurden.

Bei Ausbruch des Weltkrieges übertrugen National- und Ständeräte der Schweizer Regierung notrechtliche Kompetenzen, mit denen sie ohne demokratische Kontrollen und nach freiem Ermessen in bislang kaum regulierte wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten eingreifen konnte. Oliver Schneider untersucht an der Universität Zürich die Arbeitsweise, Wahrnehmung und Wirkung dieses als «Vollmachtenregime» bekannt gewordenen Systems, wobei der Fokus auf dem Einfluss des Militärs im wachsenden Verwaltungsapparat, der intensiven Zusammenarbeit von Staat und Verbänden bei der Organisation der Kriegswirtschaft, den innenpolitischen Konflikten der Kriegszeit sowie dem Austausch von Wissen und Erfahrungen mit dem Ausland liegt.

Literatur zum Ersten Weltkrieg

Clark, Christopher:Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. München 2013.
Janz, Oliver: 14! – der Grosse Krieg. Frankfurt am Main 2013.
Hirschfeld, Gerhard / Krumeich, Gerd und Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn 2009.
Kreis, Georg: Insel der unsicheren Geborgenheit. Die Schweiz in den Kriegsjahren 1914-1918. Zürich 2014.
Leonhard, Jörn: Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs. München 2014.
Kuhn, Konrad J. / Ziegler, Béatrice (Hrsg.): Der vergessene Krieg. Spuren und Traditionen zur Schweiz im Ersten Weltkrieg. Baden 2014.
Münkler, Herfried: Der grosse Krieg. Die Welt 1914–1918. Berlin 2013.
Rossfeld, Roman / Buomberger, Thomas / Kury, Patrick (Hrsg.): 14/18. Die Schweiz und der Grosse Krieg. Baden 2014
Rossfeld, Roman (Hrsg.): 1914–1918: Neue Zugänge zur Geschichte der Schweiz im Ersten Weltkrieg = Sonderheft der Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte, 63 (2013).
Segesser, Daniel Marc: Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive. 3. überarb. Auflage, Wiesbaden 2013.
Winter, Jay M. (Hrsg.): The Cambridge History of the First World War. 3 Bde. Cambridge 2014.

Zeitungsartikel

Rossfeld, Roman: Der Segen der guten Tat?, WOZ vom 19.06.2014
Tanner, Jakob: Der erste totale Krieg, WOZ vom 20.03.2014
Tanner, Jakob: Essay "Abgrundtiefe Absurdität", UZH Magazin 2/14, S. 48-49
Gull, Thomas: Die Schweiz im Ersten Weltkrieg - Fünf Dinge, die wir über den Ersten Weltkrieg wissen sollten, UZH News vom 02.09.2014
L'humanitaire au service de la neutralité, Campus No 117, S. 38-41

Fernsehen/Radio

"10vor10"-Sommerserie: 1. Weltkrieg – Urknall der Moderne
Tagesschau-Spezial zur deutsch-französischen Gedenkfeier am 3. August 2014, mit Roman Rossfeld und Georg Kreis
Die Schweiz im Ersten Weltkrieg: unbetroffen und berührt, mit Erika Hebeisen, Rudolf Jaun und Georg Kreis, SRF Sternstunde Philosophie 29. Mai 2014
Dossier Der Erste Weltkrieg und seine Folgen im Schweizer Fernsehen/Radio
Munition für den Ersten Weltkrieg kam auch aus der Schweiz, mit Roman Rossfeld, 28. September 2014

Filme via nanoo.tv

Zwei Filme aus dem umfangreichenOnline-Filmarchiv des Medien- und Informationszentrum MIZ der Zürcher Hochschule
Blom, Philipp: Der taumelnde Kontinent, Teile 1-3
14 - Tagebücher des Ersten Weltkriegs Teile 1-8

Das Medien- und Informationszentrum MIZ der Zürcher Hochschule der Künste nutzt seit 2007 die Plattform nanoo.tv, welche ermöglicht, Fernsehsendungen aufzuzeichnen und via Stream zu verbreiten. Dieses Onlinearchiv ist für alle Angehörigen von Schweizer Hochschulen über das AAI-Account zugänglich.

Websites

1914-1918 online International Encyclopedia of the First World War
The Great War 1914-1918, a guide to WW1 battlefields and history of the First World War.
Der Erste Weltkrieg in bewegten Bildern, eine interaktive Grafik erstellt vom britischen Guardian und der Süddeutschen Zeitung.
International Society for First World War Studies.
Mission Centenaire 14-18, Portail officiel du centenaire de la Première Guerre mondiale.
Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, eine virtuelle Ausstellung zur Geschichte des Krieges von 1914 - 1918 in Österreich.
Europeana, ein Crowdsourcing-Projekt, das Erinnerung an den Ersten Weltkrieg digitalisiert.
Themenportal Erster Weltkrieg, Clio.
Der Erste Weltkrieg auf Dodis - Diplomatische Dokumente der Schweiz

Weiterführende Informationen

Prof. em. Dr. Jakob Tanner

Büro 318
Mail: jtanner [at] hist.uzh.ch
+41 (0)44 634 36 40

Dr. Roman Rossfeld

Dr. Oliver Schneider

Dr. Florian Weber

Eckdaten

Projektdauer: Oktober 2012 - Oktober 2016
Unterstützt durch: